Traugott Schiess (1834-1869 )
Ein Wendepunkt in seiner künstlerischen Laufbahn war der Umzug nach München im Jahr 1854. Dort besuchte Schiess Abendkurse an der Akademie der Bildenden Künste und kam mit prägenden Künstlern der damaligen Zeit in Kontakt – darunter Friedrich Voltz, Arnold Böcklin und Franz von Lenbach. Besonders einflussreich war auch die enge Verbindung zu Johann Gottfried Steffan, bei dem Schiess nicht nur künstlerisch reifte, sondern später auch dessen Tochter Emilie heiratete.
Zwischen 1855 und 1865 unternahm Schiess zahlreiche Studienreisen, insbesondere in die bayerischen Alpen und die Schweizer Bergwelt. Dabei entstanden detailreiche Ölstudien und großformatige Landschaftsbilder mit typischen Motiven aus dem Berner Oberland, dem Klöntal oder dem Engadin. Seine Werke spiegeln eine stilistische Entwicklung vom romantisch beeinflussten Naturbild hin zur emotional verdichteten Ideallandschaft wider. Besonders markant ist sein feinfühliger Umgang mit Licht und Atmosphäre, der ihn zum Vertreter des sogenannten Münchner Naturlyrismus macht. Spätere Werke zeigen Einflüsse der französischen Schule von Barbizon und lassen die Natur zunehmend als seelischen Raum erscheinen.
Traugott Schiess war ein sensibler Beobachter seiner Umwelt, dessen Werke nicht nur topografisch präzise, sondern auch von tiefer innerer Ruhe geprägt sind. Tiere und Figuren, die er häufig als Staffage einsetzte, lockern die Landschaft auf, ohne sie zu dominieren. In seiner kurzen, aber intensiven Schaffenszeit schuf Schiess zahlreiche Werke, die in der Schweiz, Deutschland, England und den USA Absatz fanden. Seine Arbeiten wurden unter anderem auf der Berliner Jahrhundertausstellung 1906 gezeigt.
Trotz wachsender Anerkennung wurde Schiess’ Leben früh beendet. Seine gesundheitliche Konstitution war zeitlebens schwach, und so starb er 1869 im Alter von nur 35 Jahren an einer Lungenentzündung, die er in Davos behandeln ließ.
Heute sind Werke von Traugott Schiess in renommierten Sammlungen wie dem Kunsthaus Zürich, dem Kunstmuseum St. Gallen und der Öffentlichen Kunstsammlung Basel vertreten. Als Bindeglied zwischen der romantischen Tradition und einer atmosphärisch verdichteten Landschaftsmalerei nimmt er in der Schweizer Kunstgeschichte eine besondere Stellung ein. Mit seinem poetischen Blick auf die Alpenlandschaft und seiner malerischen Sensibilität gehört Schiess zu den wichtigen Landschaftsmalern des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum.